AudioguideAnadolu Hisarı

...

Dort, wo der lebendige Göksu-Fluss in das blaue Wasser des Bosporus mündet, erhebt sich Anadolu Hisarı – die Anatolische Festung – still und gelassen am asiatischen Ufer Istanbuls. Wer hier steht, sieht die von Grün überwucherten alten Mauern, umgeben von hölzernen Uferhäusern und schattigen Straßencafés. Doch hinter dieser friedlichen Schönheit wird eine Geschichte sichtbar, die von Jahrhunderten voller Machtspiele und ehrgeiziger Pläne geprägt ist.

Vor mehr als sechs Jahrhunderten, also gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts, gab der osmanische Sultan Bayezid der Erste den Bau dieser Festung in Auftrag. Bayezid wusste: Wer den Bosporus kontrolliert, hält den Schlüssel zu Konstantinopel – der begehrtesten Stadt der Region. Genau hier, an der schmalsten Stelle der Meerenge, die etwa siebenhundert Meter misst, hatte die Festung jede Bewegung zwischen Schwarzem Meer und Stadtkern im Blick. Der mächtige Wehrturm ragte innerhalb der hohen Außenmauern und drei wuchtigen Wachtürme empor. In den ersten Jahren führte nur eine hölzerne Zugbrücke hinein. Die Soldaten stiegen über steile Holztreppen hinauf und hielten von dort aus Wache.

Einige Jahrzehnte später verstärkte Sultan Mehmed der Zweite Anadolu Hisarı und ließ direkt gegenüber, am europäischen Ufer, Rumeli Hisarı errichten. Gemeinsam schnitten diese beiden Festungen Konstantinopel von jeglicher Hilfe über das Meer ab. Ihre geballte Kraft besiegelte das Schicksal der alten Stadt und ermöglichte letztlich ihre Eroberung durch die Osmanen. Nach diesem Triumph verlor Anadolu Hisarı seine militärische Bedeutung und diente fortan als Zollstation und später auch als Gefängnis.

Im Laufe der Jahrhunderte überstand die Festung viele Stürme und Zeiten der Vernachlässigung. Straßen wurden durch Teile der Außenmauern gebaut, und ein Teil ihrer ursprünglichen Gestalt verblasste. In den letzten Jahren sorgte eine umfassende Restaurierung unter der Leitung der Stadtverwaltung von Istanbul dafür, dass die Überreste und die Atmosphäre osmanischer Baukunst in den groben Steinmauern und im klassischen Design bewahrt blieben.

Heute liegt Anadolu Hisarı im Herzen eines charmanten Viertels – die historischen Festungsmauern und die prunkvollen Villen am Wasser erzählen Geschichten vergangener Reiche. Auch wenn das Innere der Festung nicht zugänglich ist, können Besucher durch die ruhigen Gassen schlendern, die Promenade am Fluss genießen und den Hauch der Geschichte unter Sonne und Wind spüren.

Wer genau hinsieht, entdeckt noch Spuren der alten Zugbrücke, Schießscharten und massiven Gänge, in denen einst Soldaten das Kommando führten. Die Einheimischen sagen, die Festung sei, auch als Gefängnis, wegen ihrer abgeschiedenen Lage am Wasser gefürchtet gewesen. Heute ist Anadolu Hisarı ein friedliches Relikt – still, kraftvoll und ein lebendiges Zeugnis der spannenden Vergangenheit am Schnittpunkt der Kontinente.

Diesen und weitere Guides in der App hören